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e-Investor Relations

Internet als ideales Medium für effizientere Finanzkommunikation


von Patrick Kiss, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung: IR-Manager der Gontard & MetallBank AG

Austausch mit der Financial Community
Grundsätze der Finanzkommunikation
Vorteile von e-Investor Relations
e-Investor Relations als direkte und persönliche Finanzkommunikation
Anforderungen an e-Investor Relations
Fazit

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht im Going Public Magazin, Juli 2001, Sonderausgabe "Investor Relations", Seite 89-91

Das Internet, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2001. Dies sind die Online-Abenteuer des deutschen Kapitalmarkts, der mit seinen über 1.000 börsennotierten Aktiengesellschaften erst seit wenigen Jahren im Internet unterwegs ist, um neue Investoren zu entdecken, neues Kapital und neue Wege der Finanzkommunikation. Viele Bits & Bytes vom Webserver entfernt bieten die Unternehmen Info-Galaxien an, die nie ein Anleger zuvor gesehen hat.

Im Gegensatz zur TV-Serie "Raumschiff Enterprise" sind Investor Relations im Internet – kurz e-Investor Relations – inzwischen keine Science-Fiction mehr. Zahlreiche Unternehmen nutzen sie inzwischen sehr intensiv. Dies ist auch kapitalmarktgerecht: Nach dem neuesten Investor Relations Monitor (Handelsblatt/IRES, Juni 2001), schätzen Analysten und Investoren das Internet als bedeutender für Investor Relations ein als Roadshows, One-on-Ones, die Hauptversammlung und die Pressearbeit. Einzig der Geschäftsbericht gilt unangefochten als die Nummer eins der IR-Instrumente.

Austausch mit der Financial Community

Waren in den Anfangsjahren der e-Investor Relations noch die Nutzung einer neuen Technologie und die Steigerung des Bekanntheitsgrades die Hauptmotive für Aktiengesellschaften, sich im Internet zu präsentieren, so sind es heute effektivere, kostengünstigere, transparentere und zeitnähere Kommunikation und Information. Dabei ermöglichen e-Investor Relations den regelmäßigen Austausch mit der Financial Community – über die festen (Pflicht-)Anlässe wie Geschäftsbericht oder Hauptversammlung hinaus.

Unter Befolgung der allgemeinen Kommunikationsgrundsätze (siehe Kasten rechts) fördern e-Investor Relations die Demokratisierung der Aktionärsinformation: aktuelle, transparente, ungefilterte und global verfügbare Informationen als Basis der Fair Disclosure (gleichmäßige, unparteiische Berichterstattung).

Vorteile von e-Investor Relations

So kann dem Ideal informationseffizienter Märkte von Unternehmens- also Informationsanbieterseite näher gekommen werden. Doch auch Gerüchte und Spekulationen gehören zum Treiben an den Finanzmärkten. Sie bieten Händlern willkommene Impulse für den Aktienhandel. Das Internet bietet ideale Voraussetzungen für die weltweite Verbreitung der Gerüchte in kürzester Zeit. Unternehmen sollten diesen aktiv begegnen und rasch Einhalt gebieten, entweder durch Dementis oder schnelle Bestätigungen. Sie müssen sich das Internet für das so genannte Monitoring, das Beobachten des Marktes inklusive seiner Teilnehmer, zunutze machen. Das bedeutet, dass Unternehmen im Internet nicht nur Informationsanbieter, sondern auch -empfänger sind.

Das Internet bietet zudem geeignete Möglichkeiten der Informationsversorgung, die den Zielgruppen alle Freiheiten lassen, sich ihr individuelles Informationspaket selbst zu schnüren. Dabei können sie Detaillierungsgrade bestimmen, Trends durch Vorjahresvergleiche aufzeigen sowie das Ganze numerisch und grafisch aufbereiten lassen und die Informationsreduktion selbst vornehmen. Hierfür erscheint ein datenbankbasierter Ansatz für das moderne Finanzinformationswesen sinnvoll, wobei die Nutzung des selben Datenbestands für firmeninterne und -externe Informationen aus Effizienzüberlegungen und aus informationstheoretischer Sicht erstrebenswert ist. Dies entlastet die IR-Abteilung und gibt den Mitarbeitern Gelegenheit, Anfragen individuell per E-Mail zu beantworten. Eine solche Lösung erlaubt zusätzlich eine Klassifizierung nach unterschiedlichen Zielgruppen und ermöglicht zielgruppenspezifische Mailings, zum Beispiel nach Kriterien wie Investment-Präferenzen, gehaltene Aktien, zeitlicher Anlagehorizont und geografischer Aufenthaltsort des Interessenten.

Letztendlich ist es die Kombination der Merkmale Interaktivität, Aktualität, Globalität und Effizienz in Verbindung mit der Einzigartigkeit des Internets, sowohl für die Massenkommunikation als auch für den persönlichen Dialog geeignet zu sein, die es für die Nutzung zum Zwecke der Investor Relations prädestiniert und für Investoren einen Mehrwert generieren lässt. Die Grafik (siehe rechts) verdeutlicht dies unter Einbeziehung aller IR-Instrumente und Berücksichtigung des Informationsflusses zum Investor (direkt/indirekt).

Anforderungen an e-Investor Relations

Die Globalisierung der Kommunikation durch das Internet stellt neue Anforderungen an die Inhalte der Mitteilungen: Sie müssen so konzipiert sein, dass sie die Empfänger weltweit und interaktiv ansprechen und zum Dialog einladen, und unter Beachtung der Ziele und Erwartungen der Anbieter und Nachfrager die Hypertext-Charakteristik nutzen. Das bedeutet auch, dass Investoren das Unternehmen möglichst in ihrer Landessprache erreichen sollten. Neben der reinen Verbreitung von Informationen ist zusätzlich deren Diskussion im direkten Dialog in Foren und Chats zu empfehlen. Voraussetzung für eine solche dialogorientierte Kommunikation ist eine reaktionsfähige und flexible innere Offenheit des Unternehmens. Auf die Reaktionsgeschwindigkeit, die Individualität der Antwort und die Qualität der Aussagen kommt es an.

Das Design und das Layout sind die "halbe Miete" einer erfolgreichen Website, die das Aushängeschild eines Unternehmens sein soll. Dennoch kommt es vor allem auf den Informationsgehalt und die Aktualität an. Mehrtägige Aufbereitungszeiten sind inakzeptabel, da sonst die Vorteile des Mediums nicht genutzt werden und die Demokratisierung der Information in Gefahr ist. Es kommt auf den inhaltlich und zeitlich parallelen Einsatz aller Instrumente an. Ein Web-Auftritt muss dem Anwender gegenüber den klassischen Medien einen Mehrwert bieten. Eine Website, die diese Kriterien nicht erfüllt, kommuniziert nicht mediengerecht und dies kann dem Firmenimage schaden.

Für Internet-Nutzer wie für Investoren ist der Faktor Zeit besonders wichtig, denn ein schnelles Navigieren durch das Informationsangebot reduziert die Leitungskosten und senkt zum anderen den Rechercheaufwand. Das zügige, nicht-lineare Bewegen innerhalb der vernetzten Informationen gewährleistet zusammen mit interaktiven Komponenten die erhöhte Aufmerksamkeit des Nutzers, der die Verbindungen der Informationen klar erkennen, sich angesprochen fühlen und zu Reaktionen motiviert werden soll.

Galten bis vor kurzem e-Investor Relations als Kür der Finanzkommunikation, so haben sich einige Elemente zur e-IR-Pflicht entwickelt. Dazu zählen Informationen zur Aktie (Kennzahlen, Kurse, Charts und Umsätze), das Unternehmensprofil inkl. aktueller Präsentationen, Bilanz & Gewinn- und Verlustrechnung, FAQ-Liste (häufig gestellte Fragen), Bestell- und Downloadmöglichkeit aller Finanzpublikationen, Finanzkalender, aktuelle News (Ad hoc- und Pressemitteilungen), Angaben zur Aktionärsstruktur, Portraits des Vorstands und des Aufsichtsrats, Kontaktdaten der IR-Ansprechpartner und schließlich ein E-Mail-Newsletter.

Punkten können Unternehmen in ihrer Online-Finanzkommunikation mit Kursen und News per E-Mail und SMS, historischen Kursdaten zum Download für Charttechniker, monatlichen Online-Kommentaren zur Entwicklung der Aktie, sämtlichen Researchberichten (auch solchen, in denen das Unternehmen als "Underperformer" eingestuft wird), Finanzkalendern inklusive Erinnerungsfunktion, individuellen und personalisierten Newslettern mit Zeitsteuerung, Chats mit Vorständen sowie mit Live-Streams von Reden, Konferenzen und der Hauptversammlung. Langfristig geht der Trend ohnehin zur Online-Hauptversammlung mit Proxy-Voting (Möglichkeit, einen Vertreter vor Ort mit elektronisch durchgeleiteten Weisungen für das Stimmrecht zu versehen).

Fazit

Voraussetzung für den Erfolg der e-Investor Relations ist die Bereitschaft der Unternehmen, proaktiv und transparent zu kommunizieren. Das Internet bietet offenen und investorenfreundlichen Unternehmen eine große Chance, Wettbewerbsvorteile an den Kapitalmärkten zu generieren. Investoren suchen nach aktuellen Informationen, die sie möglichst selbst weiterverarbeiten und auswerten können. Dies ermöglicht das Internet wie kein anderes Medium. Risikoaufschläge auf die geforderten Renditen und erhöhte Eigenkapitalkosten auf Grund eines unzureichenden Wissensstandes seitens der Investoren können so gemindert werden.

Der Erfolg der e-Investor Relations hängt nicht primär von den zur Verfügung gestellten Webseiten des Unternehmens ab, sondern von der Kommunikationsbeziehung zu seinen Investoren. Hierbei dürfen nicht die Kosten oder die kurzfristigen Erfolgsaussichten im Vordergrund stehen, sondern der langfristige Erfolg einer von Vertrauen geprägten Beziehung mit den Investoren.

Es geht nicht um das Besetzen einer neuen Technologie, sondern vielmehr um das Setzen eines Signals durch das Unternehmen, das die neue Technologie nutzt. Die Inhalte und Botschaften sind weiterhin die wichtigsten Elemente für Investor Relations, egal welcher Kommunikationskanal genutzt wird. Technologie – und sei sie noch so fortschrittlich und ausgereift – wird niemals den persönlichen Dialog zwischen Menschen ersetzen.

Für Investor Relations und Kommunikation im Internet gilt daher das Zitat von John F. Kennedy: "Der Mensch ist immer noch der außergewöhnlichste Computer von allen".


© 2008 by Patrick Kiss

Links

www.goingpublic.de

 

 

 

 

Grundsätze der Finanzkommunikation

1. Wesentlichkeit

2. Vollständigkeit

3. Zukunftsorientiertheit

4. Regelmäßigkeit/ Kontinuität

5. Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit

6. Gleichbehandlung

7. Zielgruppenfokussierung

8. Zeitnähe der Information

9. Wirtschaftlichkeit

10. One company, one voice

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

e-Investor Relations als direkte und persönliche Finanzkommunikation:

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