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Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in der Börsen-Zeitung, Nr. 179, 15.9.2001, Sonderbeilage "Investor Relations", Seite B 2 |
Für viele Kommunikationsprofis ist die derzeitige Börsenverfassung eine völlig neue Erfahrung. Seit 18 Monaten befindet sich nicht nur der deutsche Aktienmarkt sondern der gesamte Weltmarkt in einer ausgeprägten Baisse. Viele der Investor Relations-Manager sind erst nach dem Crash 1987 in ihre in Deutschland noch sehr junge Berufsdisziplin eingestiegen. In den letzten viereinhalb Jahren waren Spezialisten für Finanzkommunikation besonders von den inzwischen etwa 340 Neuer Markt-Unternehmen gesucht. Investor Relations-Manager sind begehrt wie bis vor kurzem Investmentbanker und Analysten. In steigenden Märkten ist die Pflege von Investor Relations ein Job, der täglich Freude bereitet. Seit dem Hoch der Aktienmärkte im März 2000 jedoch weht der Wind den meisten Investor Relations-Beauftragten rauh und frontal ins Gesicht. Während sich Investoren in der einstigen Euphorie nur peripher für Ergebnisse interessierten, verlangen sie heute nach Belegen, dass das Unternehmen Geld verdient oder dies in möglichst naher Zukunft schafft. Gefragt sind nicht mehr nur Visionen, die schlüssig auf guten Strategien basieren, sondern auch eine prägnante Equity Story, die auf langfristig realistischen Annahmen beruht. Sie muss vermitteln, wie die Zukunftsversprechen dauerhaft eingelöst werden und die Profitabilität nachhaltig erreicht wird, um das Anlegervertrauen zu rechtfertigen. Unabhängig davon, ob es sich um eine kapitalmarkt- (externe) oder unternehmensbedingte (interne) Krise handelt – die Kombination ist ebenfalls anzutreffen – ist der Verlauf immer ähnlich. Die Krise kündigt sich häufig schon früh an und ist bei entsprechender Sensibilität schnell als solche zu identifizieren. Für die Krisenbewältigung gibt es kein Patentrezept. Falsch wäre in jedem Fall aber das bewusste Verdrängen oder gar der Versuch der Vertuschung. Die späte Einsicht und eine zu zögerliche Informationspolitik werden vom Kapitalmarkt doppelt und nachhaltig bestraft. Nach der Erkenntnis sollte somit zügig eine offene Analyse und Darstellung der Situation folgen. Dazu bedarf es Beschreibungen der Marktstruktur und der Marktposition sowie des Produkt- und Dienstleistungsangebots. Zusammen mit Erläuterungen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, weiteren Kennzahlen und Hintergrundinformationen zu aktuellen Entwicklungen bilden diese die vergangenheits- und gegenwartsbezogene Präsentation des Unternehmens. Daraus abgeleitet gilt es, die Ursachen der Krise zu erklären sowie Maßnahmen zu deren Lösung mit den entsprechenden (Zwischen-)Zielen zu erläutern. Optimal ist in einer solchen Situation die enge Einbindung des Managements, das Verlässlichkeit, Überzeugung und Vision vermittelt: Krisen-Kommunikation ist Chefsache. Schon während der Krise sollten Maßnahmen und Kontrollinstrumente definiert werden, die zukünftig zur Prävention bzw. Früherkennung von Problemen beitragen. Erste Schritte der Neuausrichtung können eingeleitet werden, die das Vertrauen der Investoren schon in der Anfangsphase der Krisenbewältigung erhalten. Für alle Investor Relations-Maßnahmen sollten – in guten wie in schlechten Zeiten – die folgenden Grundsätze beachtet werden:
Strategisch und langfristig planende Investor Relations-Manager beherzigen diese Grundsätze und sind mit ihrer Kommunikationspolitik auf eine Baisse vorbereitet. Durch technische (Adress-Datenbanken, Dienstleister-Karteien) und formelle (To-do-Listen, festgelegte Abstimmungsprozesse) Vorkehrungen wird der Weg für die wichtigste Komponente der Krisen-IR geebnet: die Inhalte. Die von Investor Relations-Professionals bedienten Zielgruppen erwarten in jeglicher Hinsicht Kontinuität. Das Expectation Management orientiert sich neben den reinen Informationspflichten ebenso auf eine klare Linie in der Investorenansprache. Investoren würden es nicht mögen, neben schlechten Zahlen zusätzlich einen Bruch in ihrer Kommunikations- und Informationsbeziehung zum Unternehmen verarbeiten zu müssen. Ein einmal verlorenes Vertrauen ist nur sehr langfristig und mühsam wieder aufzubauen. Dagegen ist die erhöhte Risikoprämie auf Grund von deutlich von den Analystenerwartungen abweichenden Ergebnissen mittelfristig wieder auszugleichen, wenngleich der irrationale Faktor hier nicht selten überwiegt und eine Aktie - trotz sich verbessernder Ergebnisse - vom Kapitalmarkt verschmäht wird. Investoren verübeln weniger die Krise, sondern vielmehr die Unstetigkeit. Im Rahmen des Expectation Managements sollen daher die formalen und inhaltlichen Erwartungen an die Finanzkommunikation gesteuert werden. So entsteht ein
Spannungsfeld, das nicht selten zu Diskrepanzen mit den einstigen
Erwartungen einiger Investor Relations-Manager an den von ihnen gewählten
Beruf führt. In Zeiten der Baisse sind sie gegenüber Investmentbankern
und Analysten aber in einem Punkt im Vorteil: Ihr Job ist
verhältnismäßig sicher. Die Finanzkommunikation von
Kapitalgesellschaften muss immer gewährleistet sein – in guten wie in
schlechten Zeiten. © 2008 by Patrick Kiss |
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