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Immobilien an der Börse: Investor Relations - in der Krise sind Fakten
und Kontinuität gefragt


Von Patrick Kiss, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung: Head of Investor & Public Relations, Deutsche EuroShop AG

 

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Immobilien & Finanzierung (I&F) 12/2009, Der Langfristige Kredit, Juni 2009, S. 392-393

 

Für viele Kommunikationsprofis des börsennotierten Immobiliensektors bietet die derzeitige Kapitalmarktverfassung eine völlig neue Erfahrung. Seit knapp zwei Jahren befindet sich die gesamte Weltwirtschaft auf einer ausgeprägten Talfahrt. Viele Investor Relations-Manager sind erst nach dem Börsentief 2003 in die in Deutschland noch junge Berufsdisziplin eingestiegen. Zudem ist die Mehrzahl der heute gelisteten Immobilien-AGs in der euphorischen Börsenphase von 2005 bis 2007 in das Rampenlicht des Kapitalmarkts getreten.

In steigenden Märkten ist die Pflege von Investor Relations (IR) ein Job, der täglich Freude bereitet. Seit dem europaweiten Hoch der Immobilienaktien Anfang 2007 jedoch weht der Wind den meisten IR-Beauftragten rau und frontal ins Gesicht. Während sich Investoren in der einstigen Euphorie nur peripher für Ergebnisse interessierten, verlangen sie heute nach Belegen, dass das Unternehmen Geld verdient oder dies in möglichst naher Zukunft schafft. Gefragt sind nicht mehr nur Visionen, die schlüssig auf guten Strategien basieren, sondern auch eine prägnante Equity Story, die auf langfristig realistischen Annahmen beruht. Sie muss vermitteln, wie die Zukunftsversprechen dauerhaft eingelöst werden und die Profitabilität nachhaltig erreicht wird, um das Anlegervertrauen zu rechtfertigen.

Investor’s Darling: Solide Finanzierung und stabile Cashflows

Aktuelle Themen sind daher vor allem Refinanzierung, Bewertung, Cashflow-Nachhaltigkeit, Mieterbonität. Investoren fragen Details zu Kreditfälligkeiten, finanzierenden Banken, Covenants, Marktrenditen, Mietverträgen und Mietausfällen ab, um sich selbst mit einem „Stress Test“ ein Szenario über die Zukunftssicherheit und damit verbundene Bewertung des jeweiligen Geschäftsmodells aufzubauen.

Unabhängig davon, ob es sich, wie momentan, um eine kapitalmarkt- (externe) oder unternehmensbedingte (interne) Krise handelt – die Kombination ist ebenfalls anzutreffen – ist der Verlauf immer ähnlich. Die Krise kündigt sich häufig schon früh an und ist bei entsprechender Sensibilität schnell als solche zu identifizieren. Für die Krisenbewältigung gibt es kein Patentrezept. Falsch wäre in jedem Fall aber das bewusste Verdrängen oder gar der Versuch der Vertuschung. Die späte Einsicht und eine zu zögerliche Informationspolitik werden vom Kapitalmarkt doppelt und nachhaltig bestraft. Nach der Erkenntnis sollte somit zügig eine offene Analyse und Darstellung der Situation folgen, um die Wogen zu glätten.

Dazu bedarf es Beschreibungen der Marktstruktur und der Marktposition sowie des Produkt- und Dienstleistungsangebots. Zusammen mit Erläuterungen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, weiteren Kennzahlen und Hintergrundinformationen zu aktuellen Entwicklungen bilden diese die vergangenheits- und gegenwartsbezogene Präsentation des Unternehmens. Daraus abgeleitet gilt es, die Ursachen der Krise zu erklären sowie Maßnahmen zu deren Lösung mit den entsprechenden (Zwischen-)Zielen zu erläutern. Optimal ist in einer solchen Situation die enge Einbindung des Managements, das Verlässlichkeit, Überzeugung und Vision vermittelt: Krisen-Kommunikation ist Chefsache.

Für den gelisteten Immobilien-Sektor haben sich international inzwischen zwei wesentliche Kennzahlen etabliert, auf die Analysten und Investoren besonders achten: Net Asset Value (NAV, Wert des Vermögens abzüglich der Verbindlichkeiten. Bezogen auf eine Aktie stellt der NAV deren inneren Wert dar) und Funds from Operations (FFO, Mittelzufluss aus der operativen Tätigkeit). Nachteilig ist hierbei nur, dass sich noch keine verbindlichen Berechnungsstandards für diese beiden Kennzahlen herauskristallisiert haben. Aber die Branche arbeitet an der Harmonisierung, um eine bessere Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Eine Aufmerksamkeits-Renaissance als Kennzahl erlebt dagegen das Loan-to-Value-Ratio (LTV, Verhältnis der zinstragenden Kredite zum Marktwert des Immobilienportfolios), das in den Immobilien-Boomjahren möglichst hoch und kurzfristig flexibel sein sollte, um über gehebelte Finanzierungen die Verzinsung des Eigenkapitals nach oben zu treiben. Inzwischen haben sich die Vorstellungen über ein optimales LTV-Verhältnis genau umgekehrt.

Aus der Krise lernen

Schon während der Krise sollten Maßnahmen und Kontrollinstrumente definiert werden, die zukünftig zur Prävention bzw. Früherkennung von Problemen beitragen. Erste Schritte der Neuausrichtung können eingeleitet werden, die das Vertrauen der Investoren schon in der Anfangsphase der Krisenbewältigung erhalten helfen.

Für alle IR-Maßnahmen sollten – in normalen wie auch Krisenzeiten – die folgenden Grundsätze beachtet werden:

Regelmäßigkeit und Kontinuität – Für die Überlassung seines Kapitals erwartet der Investor regelmäßige Informationen in gleichbleibender Quantität und Qualität, auch in Krisenzeiten. Gerade jetzt gilt es, das aufgebaute Anlegervertrauen nicht zu enttäuschen, sondern zu pflegen.

Wesentlichkeit – Es sollten nur Informationen veröffentlicht werden, die mit der Geschäftstätigkeit oder dem Geschäftserfolg eines Unternehmens in Zusammenhang stehen. Hilfreich können dabei auch Marktdaten sein, die Investoren und Analysten helfen, das Unternehmen besser in sein Wettbewerbsumfeld einzuordnen.

Vollständigkeit – Um das Unternehmen selbstständig und unbeeinflusst einschätzen zu können, erwarten Investoren eine sachlich richtige, vollständige und faire Informationsversorgung. Das bedeutet nicht die komplette Offenlegung aller Unternehmensdaten, denn jedes Unternehmen hat berechtigte Geheimhaltungsinteressen. Es gilt das Motto: "Man muss nicht über alles schreiben, aber man sollte über alles reden können."

Zukunftsorientierung – Neben der Rechenschaft über die Tätigkeit in der Vergangenheit interessieren sich die Investoren vor allem für deren Auswirkungen auf den zukünftigen Geschäftserfolg.

Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit – Die Sprichwörter "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing" und "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht" drücken sehr gut den Balanceakt der IR aus. Alle vermittelten Informationen sollten der Wahrheit entsprechen und offen ohne Übertreibung komplett dargestellt werden. Durch einen vermeintlich schonend und verklausuliert formulierten Nachrichtenfluss belasten schlechte Neuigkeiten wie zum Beispiel Gewinnwarnungen den Aktienkurs stärker und dauerhafter.

Gleichbehandlung – alle Informationsempfänger sollten gleich behandelt werden, zeitlich wie inhaltlich, insbesondere um nicht mit dem Verbot der Ausnutzung und Weitergabe von Insiderinformationen im Wertpapierhandelsgesetz in Konflikt zu geraten (fair disclosure).

Zielgruppenfokussierung – Für Investoren sind andere Informationen als beispielsweise für Mieter relevant. Sie interessieren sich nicht für die Gestaltung einer neuen Immobilie, sondern für den zu erwartenden Vermietungserfolg. Daher sollten die Informationen kapitalmarktspezifisch, einfach und verständlich aufbereitet sein.

Zeitnähe der Information – Nur aktuelle Informationen aus erster Hand sind für Investoren interessant. Je schneller Unternehmen neue Erkenntnisse berichten, desto besser entwickelt sich die Aktie. Auch das gilt für gute Zeiten genauso wie für schlechte. Verpasst ein Unternehmen die Chance, neue Informationen aus dem eigenen Haus zeitnah zu kommentieren, so tun dies andere – doch gefiltert und selten im Sinne des Unternehmens. In diesem Zusammenhang erscheint die ständige Erreichbarkeit der IR-Verantwortlichen sinnvoll – Blackberry & Co. lassen grüßen.

Wirtschaftlichkeit – Die Kommunikationskosten sollten sowohl im Interesse des Unternehmens als auch im Interesse der Investoren möglichst gering gehalten werden und sich an Kosten-/Nutzenabwägungen orientieren.

One company, one voice – Die Unternehmensvertreter sollten die Finanz- und Unternehmenskommunikation immer untereinander abstimmen, damit eine kohärente Gesamtkommunikation sichergestellt ist und das Unternehmen ein einheitliches Erscheinungsbild abgibt.

Nach der neueste Studie „Exzellenz in Investor Relations in Deutschland” von Thomson Reuters Extel Surveys messen Investoren und Analysten zusätzlichen „weichen“ Faktoren hohe Bedeutung bei, wie die folgende Grafik verdeutlicht.

Entwicklung der relativen Kriterien-Gewichtungen im Zeitraum 2007-2009 (1 = unwichtig, 5 = sehr wichtig)

„Klarheit und Transparenz“ waren immer elementar und haben in der Krise sogar noch an Gewicht gewonnen. Dass Einigeln in harten Zeiten keine Anerkennung hervorruft wird durch das zweitwichtigste Kriterium „Einsatz und Reaktionsfreudigkeit“ klar: Kapitalmarktteilnehmer wünschen sich Weitsicht und proaktive Kommunikation. Die übrigen Kriterien haben dagegen relativ an Bedeutung verloren.

Strategisch und langfristig planende IR-Manager beherzigen diese Grundsätze und Best Practice-Empfehlungen und sind mit ihrer Kommunikationspolitik auf eine Baisse vorbereitet. Durch technische (Adress-Datenbanken, Dienstleister-Karteien) und formelle (To-do-Listen, festgelegte Abstimmungsprozesse) Vorkehrungen wird der Weg für die wichtigste Komponente der Investor Relations geebnet: die Inhalte.

IR als Erwartungsmanagement

Die von IR-Professionals bedienten Zielgruppen erwarten in jeglicher Hinsicht Kontinuität. Das Erwartungsmanagement orientiert sich neben den reinen Informationspflichten ebenso auf eine klare Linie in der Investorenansprache. Investoren würden es nicht mögen, neben schlechten Zahlen zusätzlich einen Bruch in ihrer Kommunikations- und Informationsbeziehung zum Unternehmen verarbeiten zu müssen. Ein einmal verlorenes Vertrauen ist nur sehr langfristig und mühsam wieder aufzubauen. Dagegen ist die erhöhte Risikoprämie aufgrund von deutlich von den Analystenerwartungen abweichenden Ergebnissen mittelfristig wieder auszugleichen. Investoren verübeln weniger die Krise, sondern vielmehr die Unstetigkeit. Im Rahmen des Erwartungsmanagements sollen daher die formalen und inhaltlichen Ansprüche an die Finanzkommunikation gesteuert werden.


© 2009 by Patrick Kiss

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