Twitter ist das am schnellsten wachsende
soziale Netzwerk in Deutschland. Innerhalb eines Jahres hat sich die
Zahl der deutschsprachigen Nutzer auf heute ca. 1,8 Mio.
verfünfundzwanzigfacht. Weltweit sind es mehr als 45 Mio. Nutzer, von
denen etwa die Hälfte aus den USA stammt. IR-Verantwortliche sollten
dieses Kommunikationspotenzial nicht ungenutzt
lassen.
Twitter als
Nachrichtenquelle der Tagesschau
Diese Zahlen machen deutlich, dass sich Twitter als Kommunikationskanal
etabliert hat und mehr als nur ein kurzfristiger Trend ist. Menschen
beziehen ihre Informationen zunehmend aus sozialen Medien wie Facebook,
YouTube, FlickR und SlideShare. Twitter verbreitet Informationen nahezu
in Echtzeit. Die breite Öffentlichkeit hat das während der Proteste im
Iran im Juni 2009 erstmals wahrnehmen können, als sich Medienberichte
oft auf Tweets (so werden die maximal 140 Zeichen langen Einträge bei
Twitter genannt) iranischer Nutzer bezogen haben.
Wenn nicht aktiv,
dann wenigstens passiv
Der tägliche IR-Alltag ist per definitionem dialogorientiert. Die
meisten Dialoge sind auf das Internet übertragbar oder basieren darauf,
beispielsweise in Form von Webcasts und Online-Chats. Mit Sozialen
Medien wie Twitter kann man den nächsten Schritt in einen Zustand
machen, in dem jeder Empfänger auch zum Sender wird. Die Nutzer schaffen
eigene Inhalte, äußern Meinungen und diskutieren mit anderen. Was vielen
Unternehmen daran vielleicht missfällt, ist der Kontrollverlust bei
dieser many-to-many-Kommunikation. Wenn Unternehmen sich aber nicht
damit beschäftigen, wissen sie nicht einmal, was über sie diskutiert
wird. Denn ebenso wie Fakten gehören auch Gerüchte und Spekulationen zum
Treiben auf den Finanzmärkten. Sie bieten manchen willkommene Impulse
für den Aktien handel. Unternehmen sollten Twitter daher wenigstens für
das sogenannte Monitoring, das Beobachten, passiv nutzen. Durch dieses
„Mitlesen“ sammeln Unternehmen wertvolle Erfahrungen mit dem Medium.
Sollte plötzlich eine aktive Teilnahme notwendig werden,
wäre es zu spät, sich mit den Basics zu beschäftigen, denn Schnelligkeit
wird zum Erfolgskriterium.
Abb. 1: Twitter wird von
Unternehmen der Auswahlindizes bisher kaum und eher versteckt
genutzt.
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Quelle: eigene Darstellung auf Basis der
„Heute schon gezwitschert?“-Studie von NetFederation, Stand 08/2009
Im Dialog mit
den Kapitalmärkten
Ein Ideal der Investor Relations ist es, dass man gegenüber den
Marktteilnehmern nicht nur Informationsanbieter ist, sondern auch
-empfänger. IR-Verantwortliche sind im Dialog mit den Kapitalmärkten,
wie es der Slogan des DIRK so treffend beschreibt. Daher sollten sie
sich mit den Sozialen Medien und ihrer Verwendung als IR-Instrumente
zumindest beschäftigen. Entscheiden sich Unternehmen dann, z.B. Twitter
aktiv zu nutzen, sollten sie eine klar definierte und nachhaltige
Strategie haben, denn hat man den Kanal geöffnet, wäre ein Rückzug
schwierig.
IR-Twitter-Grundsätze
IR-Manager werden schnell feststellen, dass die Grundsätze erfolgreicher
Investor Relations ausnahmslos auf den Dialog via Twitter übertragbar
sind:
Regelmäßigkeit und Kontinuität
– Das Vertrauen seiner Follower (Twitter-Nutzer, die Tweets eines
anderen Nutzers abonniert haben) gewinnt und pflegt man, indem man
regelmäßig Informationen in gleichbleibender Quantität und Qualität
liefert.
Wesentlichkeit – Es
sollten nur Informationen veröffentlicht werden, die mit dem
Unternehmen in Zusammenhang stehen. Privatpersonen können Tweets wie
"Es regnet gerade" absetzen, bei Unternehmen wäre das unangemessen.
Vollständigkeit – Bei
aller Dialogorientierung sollte man Twitter auch nutzen, um auf
bereits existierende Informationsquellen (Unternehmenswebsite)
hinzuweisen. So kann man die Effizienz seines Arbeitsablaufs
steigern und umfassende Information gewährleisten, ohne in Konflikte
mit etwa dem Wertpapierhandelsgesetz zu kommen.
Zukunftsorientierung –
Über die Vergangenheit können sich Anwender Sozialer Medien in
verschiedenen Quellen informieren. Nachrichten aus dem
Wettbewerbsumfeld oder Hinweise auf Marktdaten können den Nutzern
helfen, die Unternehmensperspektiven besser einzuordnen.
Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit
– Alle vermittelten Informationen sollten der Wahrheit entsprechen
und offen ohne Übertreibung komplett dargestellt werden. Alles
andere würde sich in den sozialen Netzwerken doppelt rächen und alle
Bemühungen ad absurdum führen.
Gleichbehandlung – Alle
Informationsempfänger sollten zeitlich wie inhaltlich gleich
behandelt werden, insbesondere, um nicht mit dem Verbot der
Ausnutzung und Weitergabe von Insiderinformationen in Konflikt zu
geraten (Fair Disclosure). Das gilt selbstverständlich nicht nur für
öffentliche Tweets, sondern auch für Direct Messages
(E-Mail-Kurznachrichten via Twitter an einen Follower).
Zielgruppenfokussierung
– Twitter-Nutzer sind systembedingt an Informationsblöcke von
maximal 140 Zeichen gewöhnt. Für lange Botschaften ist kein Raum.
Wenn man die Verbreitung durch sogenannte Re-Tweets wünscht, sollte
man sich eher auf 120 Zeichen beschränken. Die Follower entscheiden
anhand des Teaser-Textes, ob sie einem Link folgen. Daher sollten
darin alle Informationsversprechen enthalten sein.
Zeitnähe der Information
– Nur aktuelle Informationen sind im Internet interessant.
IR-Manager sollten Soziale Medien wie Twitter & Co. in ihre
Veröffentlichungsprozeduren mit einbeziehen und etwa nach dem
Absetzen der Corporate News, dem Aktivieren der Webseite und dem
Starten des E-Mail-Versands die Twitter-Follower versorgen.
Wirtschaftlichkeit –
Die Kosten der Nutzung Sozialer Medien sind ähnlich zu den Kosten,
die bei der Nutzung von E-Mail entstehen. Die Kosten-/Nutzenabwägung
ist im Ergebnis sicher vergleichbar mit der Pflege einer
Unternehmenswebsite: Je umfassender die gebotenen Informationen,
desto weniger repetitive Telefonate oder E-Mail-Anfragen sind zu
bewältigen.
One company, one voice
– Innerhalb des Unternehmens sollten eine Strategie und Grundsätze
für die Nutzung Sozialer Medien sowie Disclaimer aufgestellt werden,
wie es sie beispielsweise für andere Kommunikationsarten (Telefon,
E-Mail) bereits gibt. Eine kohärente Gesamtkommunikation muss
sichergestellt sein, damit das Unternehmen ein einheitliches
Erscheinungsbild über alle Kommunikationskanäle abgibt.
Fazit
Bisher tasten sich nur die Early Adaptors in Deutschland an die Nutzung
sozialer Netzwerke wie Twitter heran (siehe Abb. 1). Wirft man aber ein
Auge auf die Entwicklung im Kapitalmarkt- und Internet-Vorreiterland
USA, erkennt man die Richtung, in die sich dieser IR-Kommunikationskanal
sehr schnell ausbreiten kann. IR-Manager sollten sich trotz aller
Zeitknappheit mit dem Thema wenigstens (passiv) befassen, bevor sie in
einer Situation plötzlich gezwungen sein könnten, den neuen Kanal
(aktiv) zu nutzen. Abschließend sei angemerkt, dass soziale Netzwerke
natürlich auch eine ideale Plattform für den weltweiten Wissens- und
Meinungsaustausch unter IR-Profis darstellen.
© 2009 by Patrick Kiss |