Dieser Beitrag
wurde veröffentlicht in der Börsen-Zeitung,
Nr. 68, 09.04.2005, Sonderbeilage "Investor Relations", Seite B
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Die Technologiebörse Nasdaq war einst
Vorbild für den Neuen Markt. Doch der Versuch, ein in den USA
erfolgreiches Börsensegment in Deutschland zu etablieren, scheiterte
kläglich. Nun soll es mit der Einführung von REITs (Real Estate
Investment Trusts) einen zweiten Versuch geben. Dahinter stecken aber
keine dot.coms, keine Nano- oder Biotechnologien, keine übertriebenen
Wachstumsfantasien, sondern Betongold - reale Substanz in Form von
Immobilien.
Anfang der 60er Jahre wurden in den USA die
weltweit ersten REIT-Strukturen eingeführt. Ähnlich der Entwicklung der
Nasdaq war es nicht von Beginn an eine Erfolgsstory. Es brauchte einige
Jahre, bis sich der lange Zeit ineffiziente Immobiliensektor radikal
wandelte. Inzwischen sind knapp 200 REITs mit einer Marktkapitalisierung
von über 250 Mrd. US-$ an den US-Börsen gelistet. 18 weitere Länder wie
die Niederlande (1969), Australien (1985), Italien (1994) oder Japan
(2000) adaptierten das Modell erfolgreich - zuletzt wurde diese Form der
Immobiliengesellschaft 2003 in Frankreich eingeführt. In Großbritannien
ist die Einführung wie in Deutschland für das kommende Jahr geplant.
Steuertransparenz
REITs sind
börsennotierte Immobilienaktiengesellschaften, die von Körperschafts-
und Gewerbesteuer befreit sind, sofern sie ihre Erträge im Wesentlichen
an die Investoren ausschütten und darüber hinaus weitere Voraussetzungen
erfüllen. Die Aktionäre versteuern die Dividende mit ihrem persönlichen
Steuersatz. Anders als für die Anteilseigner anderer
Kapitalgesellschaften soll für sie allerdings nicht das
Halbeinkünfteverfahren gelten, bei dem nur die halbe Dividendensumme
besteuert wird. Als Mischform aus Immobilienfonds und börsennotierter
Immobilien-AG stellen REITs somit ein Vehikel dar, das aufseiten des
Investors einem steuertransparenten Direktinvestment in Immobilien
gleichkommt, aber im Vergleich dazu wesentlich flexibler ist.
Dividendenorientierung
Die Initiative
Finanzstandort Deutschland (IFD) hat als maßgeblicher Treiber des Themas
für die deutsche Bundesregierung Empfehlungen für ein umfassendes
G-REIT-Konzept (German REIT) erarbeitet, das weitgehend auf
internationalen Erfahrungen basiert. Demzufolge sollte ein G-REIT
mindestens 75 % der Erlöse aus Vermietung, Verpachtung und Verkauf von
Immobilien erzielen. Mindestens 90 % des Gewinns müssen als Dividende an
die Aktionäre ausgezahlt werden. Der G-REIT sollte unternehmerisch
geprägt sein und sich dadurch klar von passiven Bestandshaltern abheben.
Zeitplan
Für April 2005 ist die Vorlage
eines ersten Entwurfs des neuen REIT-Gesetzes geplant, der dann bis zum
Herbst in Bundestag und Bundesrat debattiert und verabschiedet werden
soll. Das In-Kraft-Treten des Gesetzes ist für Anfang 2006 geplant. Bis
dahin sind allerdings noch viele Details zu klären, u.a. die Höhe der
Umwandlungssteuer (exit tax). Um die Wandlung in einen REIT attraktiv zu
gestalten und die Mobilisierung bestehender Portfolios mit erheblichen
stillen Reserven (Differenz zwischen Buchwert und Marktwert) zu
unterstützen, ist eine einmalige und zeitlich befristete Halbierung der
Ertragsteuerbelastung (inkl. Gewerbesteuer) angedacht. Diese Steuer
entstünde auch bei Umwandlung bestehender Rechtsträger in REITs.
Marktpotenzial
Bisher haben deutsche
Anleger, die flexibel in Immobilien anlegen wollen, nur zwei Alternativen:
offene Immobilien-Fonds und Immobilien-Aktien. Einige Fonds schlitterten
2004 in eine Krise und haben mit Mittelabflüssen sowie Imageschäden zu
kämpfen. Auf der anderen Seite gibt es unter den ca. 40 börsennotierten
Immobilien-AGs nur drei, die von ihrer Größe und ihrem Börsenumsatz
internationalem Niveau entsprechen. Zusammen bringen es die drei
Gesellschaften auf eine Marktkapitalisierung von knapp 3 Mrd. €. Dabei
ist Deutschland der größte Immobilienmarkt in Europa. Offene und
geschlossene Immobilienfonds verwalten zusammen etwa 250 Mrd. € - den
größten Teil des institutionell gehaltenen Immobilienvermögens. Die IFD
erwartet, dass im Jahr 2010 die Marktkapitalisierung von G-REITs knapp 130
Mrd. € beträgt. Das ist in etwa das derzeitige Volumen des MDAX.
Vorteile für Investoren
REITs bringen die
Merkmale von Immobilien in die Aktienwelt: niedriges Risiko, stabile
Erträge und relativ hohe Renditen. Mit dieser einzigartigen Kombination
qualifizieren sie sich als eine neue Anlageklasse mit geringer Korrelation
zu anderen Anlagemöglichkeiten. Investoren können sich mit REITs
Portfolios zusammenstellen, die mit ihrem Risiko- und Ertragsprofil
zwischen Aktien und Anleihen angesiedelt sind. Das hohe Maß an
Transparenz (nicht zuletzt durch die Publizitätspflichten einer AG), eine
Mark-to-Market-Bewertung sowie Corporate Governance und
Aktionärskontrolle sind der wirksamste Schutz vor finanziellen
Schwierigkeiten, die in letzter Zeit teilweise bei deutschen
Immobilien-Fonds zu beobachten waren.
Kursschwankungen statt Notverkäufe
Seit
2000 verzeichneten offene Immobilien-Fonds rund 40 Mrd. €
Mittelzuflüsse. Das führte zu einem regelrechten Anlagedruck, da Fonds
nach dem Kapitalanlagegesetz maximal 50 % Liquidität vorhalten dürfen.
Die hohe Immobiliennachfrage trieb die Preise in attraktiven Lagen nach
oben. Kommt es wie 2004 zu Mittelabflüssen, kann eine Spirale in die
entgegengesetzte Richtung auslöst werden. Diese könnte Fondsmanager
zwingen, Objekte zu verkaufen, um die zurückgenommenen Anteilsscheine
auszubezahlen. Bei börsennotierten REITs bestimmen dagegen Angebot und
Nachfrage den Kurs. Verkaufen viele Anleger ihre REIT-Aktien, kann das
zwar Einfluss auf den Kurs haben, nicht aber auf das Portfolio und die
Finanzlage der Gesellschaft. Das schützt letztendlich auch den
Immobilienmarkt vor großen Schwankungen.
REITs-Vielfalt
Nach Schätzungen von
Analysten stehen in Deutschland rund 25 % aller Immobilien als stille
Reserven in den Unternehmensbilanzen. Diese könnten mit einer Einbringung
in REITs aufgedeckt und die Verkaufserlöse in das Kerngeschäft
reinvestiert werden. Die öffentliche Hand könnte auf diesem Weg ihre
leeren Kassen auffüllen und zum Entstehen von Wohn-, Büro-, Fabrik-,
Schul- oder auch Sportstadien-REITs beitragen.
Steuermehreinnahmen
Das
Bundesfinanzministerium würde die Einführung von REITs nicht so
wohlwollend begleiten, gäbe es nicht auch Vorteile für den Staat. So
schätzt die IFD, dass der Fiskus bis 2015 durch die Umwandlungssteuer,
vermehrte Immobilientransaktionen, Dividendenbesteuerung und indirekte
Steuereffekte etwa 10-12 Mrd. € zusätzliche Steuern einnehmen könnte.
REITs an der Börse
Es scheint nur
Profiteure einer möglichen REITs-Einführung zu geben. Neben den
Emittenten, Immobilienbesitzern, Investoren und dem Staat würden auch die
Intermediäre, vor allem Banken zusätzliches Geschäft machen. Mit dem so
genannten Real Estate Investment Banking stehen sie in den Startlöchern
für IPOs, M&A-Transaktionen und alle Arten von Kapitalmaßnahmen. Es
ist zu erwarten, dass ganze Produktfamilien wie REIT-Fonds, -Indizes (etwa
als Immobilien-Index "IDAX"), -Optionsscheine und -Zertifikate
eingeführt werden.
Auswirkung auf Investor Relations
Für die
Finanzkommunikation kehren mit REITs die Zeiten zurück, als Aktien noch
als Dividendenpapiere bezeichnet wurden. In den Mittelpunkt der
Kommunikation werden wieder Themen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Rendite
und Sicherheit gerückt. Es ist mit einer deutlichen Belebung des
IR-Jobmarkts durch die Nachfrage vonseiten der REITs zu rechnen. Die
Publizitätspflichten von börsennotierten AGs nehmen allgemein zu und
gelten auch für REITs. So könnten in den nächsten fünf Jahren etwa 100
IR-Positionen neu geschaffen werden. Bei derzeit etwa nur 800 IR-Profis in
Deutschland ist das ein großes Potenzial und eine Chance für
Kommunikationsexperten mit Finanz- und Immobilien-Know-how. Der Deutsche
Investor Relations Kreis (DIRK) hat sich des Themas bereits angenommen und
wird auf seiner Jahreskonferenz einen Workshop zu REITs anbieten.
Besser als ein REIT
Egal, wann G-REITs
eingeführt werden, es gibt bereits Immobilien-Aktien wie die Deutsche
Wohnen und die Deutsche EuroShop, die aufgrund ihrer speziellen
Konstruktion schon heute die Merkmale eines REITs besitzen. Und ihre
Aktionäre erhalten die Dividende sogar vollkommen steuerfrei. Aus diesem
Grund urteilte das Bankhaus HSBC Trinkaus & Burkhardt kürzlich über
die Deutsche EuroShop, eine Immobilienholding, die ausschließlich in
Shoppingcenter investiert: "Better than a REIT".
© 2008 by Patrick Kiss |
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Links
www.boersen-zeitung.de
www.deutsche-euroshop.de
www.dirk.org
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